Epilobium angustifolium – Wald-Weidenröschen, Schmalblättriges Weidenröschen

(Pflanzenfamilie: Onagraceae – Nachtkerzengewächse)

Raupe des Mittleren Weinschwärmers
Die Raupe des Mittleren Weinschwärmers

In einem Garten, in dem jede Pflanze ihren festen Platz hat, den sie tun­lichst nicht ver­lassen sollte, und in dem ungebete­nen Sämlingen keiner­lei Über­lebens­chancen einge­räumt werden, wird man das Schmal­blättrige Weiden­röschen nie treffen. Sehr zum Bedauern etlicher Falter wie Spanner, Eulen und Schwärmer – darunter Mittlerer Wein­schwärmer, Nacht­kerzen­schwärmer und Labkraut­schwärmer –, deren Raupen es als Futterpflanze dient. Die meisten dieser Falter gehören zu denjenigen, die man eh so gut wie nie zu Gesicht bekommt, weil sie nachts fliegen. Falls doch, kann man sie nicht mal annähernd bestimmen, so unscheinbar und einander ähnlich sind sie. Es fällt also nicht auf, wenn sie fehlen.

In manche Gärten schafft es Epilobium angustifolium aber schon. Das sind die­jenigen, in denen Wildstauden­pflanzungen
Wildstaudenpflanzungen:

Pflanzungen, die unter Verwendung von einheimischen und nicht einheimischen Pflanzen – keine Züchtungen – weitgehend sich selbst überlassen werden; der Gärtner greift nur gelegentlich ordnend ein. Eine Wildstaudenpflanzung kann sich über den ganzen Garten erstrecken oder auf einzelne Bereiche beschränken.

dominieren oder die Gartenbesitzer zumindest teilweise die An­wesenheit von Pflanzen tolerieren, die mit soge­nannten Prachtstauden wie etwa Ritter­sporn (Delphinium) wenig gemeinsam haben.

Epilobium angustifolium – Schmalblättriges Weiden­röschen, Blüten Mit seinen vielen Vorzügen könnte es dem Wald-Weidenröschen im Lauf der Zeit vielleicht doch noch gelingen, mehr Menschen von sich zu überzeugen: Es blüht den ganzen Sommer über und das intensive Rosa bis Rosarot seiner Blüten ist von enormer Leucht­kraft mit einer grandiosen Fernwirkung. In nicht zu trockenen (gut, da kann man ein bisschen nachhelfen) und nicht zu heißen Sommern zeigen sich die kerzenförmigen Blüten­stände, die von unten nach oben immer weiter wachsen und neue Blüten bilden, am längsten. Wie die Gaura lindheimeri (Pracht­kerze) oder das Teucrium hyrcanicum (Kaukasus-Gamander) zum Beispiel, bildet auch das Epilobium angustifolium dadurch bereits während der Blüte die ersten Samen aus. Soll Selbstaussaat verhindert werden, bleibt deshalb nichts anderes übrig, als diese Samen­stände einzeln zu entfernen. Ein müh­sames Geschäft.

Standortvoraussetzungen für das Wald-Weidenröschen

Als Ruderalpflanze (Erstbesiedler) gibt sich Epilobium angustifolium selbst mit ungünstigen Bodenverhältnissen zufrieden, als da wären humusarmer Lehmboden und über­mäßiges Stickstoffangebot. Ein Nachteil sind humose Böden freilich nicht, so­lange sie nährstoffreich sind. Oder andersrum: Nährstoff­arme Sand­böden sagen diesem Weidenröschen nicht so zu.

In der Natur (es handelt sich um eine in Deutsch­land ein­heimische Pflanze, nicht gefährdet – in keinem Bundesland –, nicht besonders ge­schützt; Stand Januar 2024) taucht es bevor­zugt auf Wald­lichtungen und abge­holzten Waldflächen nach einem Kahlschlag auf. Drei Faktoren bestimmen damit die Lebens­dauer von Epilobium angusti­folium: die Nähr­stoffe, die Wasser­ver­sorgung und die Licht­intensität. Alle drei Faktoren sollten reichlich vorhanden sein (beim Licht genügt auch Halb­schatten), und fällt einer oder fallen mehrere davon weg, verschwin­det es. Die vielen Windbrüche und Sturm­schäden in unseren Wäldern in den vergangenen Jahren dürften ganz nach dem Geschmack von Epilobium angustifolium sein. Wo es Verlierer gibt, gibt es halt immer auch Gewinner.

Ein Tiefwurzler wie das Schmalblättrige Weiden­röschen kommt mit Trockenheit ganz gut zurecht, es fühlt sich jedoch an frischen Stand­orten wohler. Sollte es also nötig sein zu gießen, dann bitte besonders gründlich, damit das Wasser die tieferen Bodenschich­ten und damit die Wurzeln erreicht. Und damit "der Boden keinen Schnupfen kriegt", wie es der Stauden-Altmeister Karl Foerster so schön formuliert hat. Oberflächliches Wässern fördert nur die Bildung von seitlichen Wurzelsprossen, mit denen es sich dann umso besser und mehr ausbreitet, allerdings auch dichter, üppiger und schöner wirkt. Ein ideales Einsatz­gebiet für solches Wurzelwerk sind unbefestigte Hänge, an ihnen verhindert es, dass das Erdreich abrutscht.

Epilobium angustifolium und seine Pflanzpartner

Einen Nachteil von Epiloium angustifolium habe ich bereits erwähnt – den Aus­brei­tungs­drang. Den kann man im Griff behalten und sogar weitgehend unter­binden, indem diesem Weiden­röschen durch­setzungs­starke Nachbarn zur Seite gestellt werden, denen es ihrerseits nicht schadet, ein bisschen Konkurrenz zu bekommen. Alcea rugosa oder rosea (Stockrosen), Cephalaria gigantea (Riesen-Schuppenkopf) und Phlomis russeliana (Brandkraut) sind dafür zum Beispiel geeignet (blühen aber allesamt gelb). Gut einge­wachsene Exemplare von Campanula latifolia (Breit­blättrige Wald-Glockenblume) dulden die Nähe dieses Weiden­röschens ebenfalls (die Glockenblume ist zur Blütezeit des Weidenröschens allerdings bereits verblüht). Besonders reizvolle Bilder ergeben sich, wenn Epilobium angustifolium mit den Nachbarpflanzen leicht verwoben ist. Neben einer Aralia californica (Kalifornische Aralie) oder racemosa (Amerikanische Aralie) hingegen gibt es schnell auf. Die Wuchsfreude der Aralien ist selbst für das Wald-Weidenröschen zu viel.

Epilobium angustifolium – Wald-Weidenröschen, Samenstände
Epilobium angustifolium (Wald-Weidenröschen) – Samenstände

Der zweite Nachteil ist die Selbst­aussaat. Epilobium angustifolium bildet (bereits während der Blüte) reichlich Samen, deren bezau­bernde Optik den beherzten Griff zur Gartenschere erschwert. Trotzdem sollten sie sich von den zarten, perückenartigen Gebilden nicht um den Finger wickeln lassen, sonst trägt der Wind die Samen in jede Ecke des Gartens. Dass die Samen Lichtkeimer sind, schraubt zudem die Keimrate in die Höhe und fördert die Verbrei­tung der Pflanzen. Ergo: Rückschnitt der Blüten­stängel, sobald die Blüte vorbei ist. In naturnahen Gärten
Naturnaher Garten:
Ein Garten, der weitgehend unter Verwendung von einheimischen Pflanzen angelegt ist.

und Wild­staudenpflanzungen
Wildstaudenpflanzungen:

Pflanzungen, die unter Verwendung von einheimischen und nicht einheimischen Pflanzen – keine Züchtungen – weitgehend sich selbst überlassen werden; der Gärtner greift nur gelegentlich ordnend ein. Eine Wildstaudenpflanzung kann sich über den ganzen Garten erstrecken oder auf einzelne Bereiche beschränken.

dagegen ist die Vermehrung mittels Selbstaussaat Teil des Prinzips und jedes neue Pflänzchen will­kommen. Am besten also wachsam sein, jedoch nicht über­vorsichtig, damit es Ihnen nicht so geht wie mir: Vor lauter Sorge, das Weiden­röschen könnte überhand­nehmen, habe ich es so gut kontrolliert, dass es eines Jahres komplett verschwunden war. Dumm gelaufen.

Wildbienen auf dem Schmalblättrigen Weidenröschen

Epilobium angustifolium – Wald-Weidenröschen, Blüte Schön wirkt das Schmalblättrige Weiden­rös­­chen, wenn einzelne Pflanzen als leuchtende Farbtupfer Pflanzen­gruppen mit zarten, pas­telligen Blüten­farben beleben. Noch schöner fast sind groß­flächigere Pflanzungen, etwa vor Hecken. So ein "Massen­auf­kommen" ist dann auch für Wild­bienen-Arten interessant, die ihre Larven in den Nestern mit Weiden­röschen-Pollen versorgen (nur die Weibchen sind dafür zuständig). In Deutschland sind das die Sand­biene Andrena thoracica sowie die Blatt­schneider­bienen Megachile circumcincta, lapponica, maritima und willughbiella.

Die Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella – Flugzeit Ende Juni bis Ende August, nur in heißen, langen Sommern eine zweite Generation ab Mitte August) und die Weidenröschen-Blattschneider­biene (M. lapponica – Flugzeit Anfang Juni bis Mitte August, eine Generation/Jahr) sind recht häufig und weit verbreitet, auch im Siedlungsbereich, und sie nehmen sogar Nisthilfen an. Für sie könnten Sie zum Beispiel Bambusröhrchen im Garten platzieren. Für die Garten-Blatt­schneider­biene bitte mit einem Innen-/Lochdurch­messer von 6 mm; diese Biene benötigt zum Nestbau Blattstückchen von Wildrosen, Hainbuchen, Eichen, Robinien oder Glyzinien (die Weiden­röschen-Blattschneider­biene nimmt dazu die Blätter des Weiden­röschens), deshalb sollten solche Gehölze im Garten oder in seiner unmittelbaren Umgebung stehen. Wildbienen legen keine weiten Wege zurück!

Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella) auf Epilobium angustifolium – Wald-Weiden­röschen
Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella – Weibchen) auf Epilobium angustifolium (Wald-Weidenröschen)

Megachile lapponica, die Weidenröschen-Blattschneiderbiene, sammelt nach allem, was die Wissenschaftler herausgefunden haben, ausschließlich Pollen von Weidenröschen als Proviant für ihre Larven (die anderen hier genannten Arten dagegen von Pflan­zen aus verschiedenen Gattungen und Familien). Von ihr gibt es zudem die gute Nachricht, dass ihre Bestände und ihre Verbreitung in Deutschland offenbar wachsen. Das freut mich mal so richtig!

Bienen, die lediglich auf den Nektar des Weidenröschens aus sind, treffen Sie am häufigsten um die Mittagszeit; um 13 Uhr bietet Epilobium angustifolium den meisten Nektar an. (13°°, das hat man ermittelt, aber ob 13°° Normalzeit oder 13°° Sommerzeit, das hat man nicht dazugeschrieben.)

Lust auf mehr? Meine Seite Wildbienen im Stauden-Garten informiert Sie ausführlicher über Wildbienen, die Gartenstauden als Pollenquellen schätzen, und über die Lebens­weise dieser ebenso faszinierenden wie gefährdeten Insekten.

Epilobium angustifolium – Wald-Weiden­röschen, Schmalblättriges Weidenröschen

Wuchshöhe: 70-210 cm
Blütenfarbe: leuchtend rosa bis rosarot
Blütezeit: Juni, Juli, August, September
Lichtverhältnisse: sonnig-halbschattig
Bodenverhältnisse: frisch
Verwendung:
Hinweis: einheimische Pflanze, Pollenquelle für Wildbienen

Literatur: Paul Westrich, Die Wildbienen Deutschlands, Ulmer-Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2018, ISBN 978-3-8186-0123-2



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