Verblühte Digitalis ferruginea (Rostiger Fingerhut)? – Nicht für diese Acker-Hummel
Fingerhut ist in Deutschland einheimisch, allerdings nur drei Arten davon. Am bekanntesten ist sicher Digitalis purpurea (Roter Fingerhut), die (tatsächlich die Digitalis, feminin) nicht staudig, sondern nur zweijährig wächst. Die beiden anderen Arten – Digitalis grandiflora und Digitalis lutea – sind langlebiger.
Im lichten Schatten (oder absonnig) fühlen sich viele Digitalis wohl, vollsonnige Standorte akzeptieren sie ebenfalls. Eigen sind sie nur, wenn sie "nasse Füße" haben (Staunässe), das geht uns Menschen ja nicht anders. In Wildstaudenpflanzungen
Wildstaudenpflanzungen:
Pflanzungen, die unter Verwendung von einheimischen und nicht einheimischen Pflanzen – keine Züchtungen – weitgehend sich selbst überlassen werden; der Gärtner greift nur gelegentlich ordnend ein. Eine Wildstaudenpflanzung kann sich über den ganzen Garten erstrecken oder auf einzelne Bereiche beschränken.
sollten sie damit ebenso wenig fehlen wie in lockeren Hecken. Am besten, der Fingerhut hat einen Platz, an dem er tun und lassen kann, was er will, vor allem Aussamen. So bleiben auch die zweijährigen und kurzlebigen Arten erhalten und tingeln durch den Garten, denn die Samen werden vom Wind verbreitet und keimen schnell und zuverlässig (Lichtkeimer).
Alle Fingerhut-Arten sind giftig (die enthaltenen Glukoside werden in der Herzmedizin eingesetzt). Wie beim Eisenhut (Aconitum) gilt es deshalb, die Kinder oder gärtnerisch Unerfahrene rechtzeitig darüber aufzuklären und bei Pflegearbeiten unbedingt Handschuhe, besser noch lange Kleidung zu tragen. Es wäre nämlich sehr traurig für die Insektenwelt, wenn wir wegen der Giftstoffe auf Digitalis im Garten verzichteten: Fingerhut ist eine top "Bienenweide"!
Maskenbienen-Mann in Digitalis-Ferruginea-Blüte (Rostiger Fingerhut)
In diesem Zusammenhang wird gern verbreitet, dass nur größere Insektenarten an den Nektar gelangen, weil eine Art "Zaun" aus Haaren an den Blütenblättern kleineren Insekten den Zutritt verwehrt (der Begriff "Einkriechblume" wird dabei gern verwendet). Nun, das sehen die Insekten selbst etwas anders, sie finden Mittel und Wege, dorthin zu gelangen, wo sie hinwollen. Der kleine Maskenbienen-Mann (Gattung Hylaeus) auf meinem Foto zeigt das sehr anschaulich. (Zu welcher Maskenbienen-Art er gehört, konnte ich leider nicht feststellen; größer als ein Zentimeter ist allerdings keine der Maskenbienen, die kleinsten messen nicht mal einen halben Zentimeter).
Digitalis ferruginea (Rostiger Fingerhut) mit Garten-Wollbiene (Weibchen)
Dennoch sind es auch bei mir im Garten vornehmlich die Größeren unter den Wildbienen, die auf Digitalis-Arten zu beobachten sind. Neben Hummeln (Gattung Bombus) sammelt hauptsächlich die Garten-Wollbiene (Anthidium manicatum, Weibchen 11‑13 mm, Männchen 14‑18 mm groß) Digitalis-Pollen als Nahrungsvorrat für ihre Larven im Nest. Belegt ist das Sammeln (der Weibchen, denn nur die Weibchen sammeln) an Digitalis grandiflora (Großblütiger Fingerhut), D. lanata (Wolliger F.) und D. purpurea (Roter F.). Diese Wildbienen-Art dürften viele schon mal gesehen (und vielleicht mit einer Schwebfliege oder Wespe verwechselt?) haben, sie ist in Deutschland weit verbreitet und häufig anzutreffen – auch in Gärten und Parks, wie der deutsche Name schon sagt. Hier eine kurze Zusammenfassung der Lebensgewohnheiten von Anthidium manicatum:
Flugzeit: ab Juni (gelegentlich bereits ab Mai), normalerweise eine Generation pro Jahr, in langen, heißen Sommern kann es eine zweite Generation im Spätsommer geben
Nistplatz und ‑weise: vorgefundene Hohlräume, zum Beispiel Erdlöcher, Felsspalten, Mauerritzen oder Spalten in Holz; Anthidium manicatum benötigt zum Bau der Nester "wollige" Pflanzen, deren Härchen sie abschabt: Woll-Ziest (Stachys byzantina), Kronen-Lichtnelke (Silene coronaria) oder Kleinblütige Königskerze (Verbascum thapsus) kommen dafür infrage
Nachgewiesene Pollenquellen: Fabaceae, Lamiaceae, Plantaginaceae, Scrophulariaceae; mit Woll-Ziest (Stachys byzantina), Heil-Ziest (Stachys officinalis), Kleinblütige Bergminze (Clinopodium nepeta), Herzgespann (Leonurus cardiaca), Muskateller-Salbei (Salvia sclarea), Klebrigem Salbei (Salvia glutinosa), Edel-Gamander (Teucrium chamaedrys), Zitronenmelisse (Melissa officinalis), Garten-Lupinen (Lupinus polyphyllus), Purpur-Leinkraut (Linaria purpurea) und Blauminze bzw. Blaue Katzenminze (Nepeta x faassenii) im Garten tut man deshalb schon etwas für den Erhalt dieser Bienen-Art.
Digitalis ferruginea (Rostiger Fingerhut) mit Garten-Wollbienen (Männchen im Anflug)
Männchen und Weibchen der Garten-Wollbiene treiben sich bei mir besonders gern am Rostigen Fingerhut zum Nektartanken rum. Ob die Weibchen dort auch Pollen sammeln? Ist mir noch nicht aufgefallen, könnte aber durchaus sein. Bei den Wollbienen ist das ein bisschen schwer zu erkennen, ob sie gerade Pollen sammeln, denn sie deponieren ihn in einer Bauchbürste auf der Unterseite des Hinterleibs und nicht in Beinhaaren.
Wer jetzt Lust auf mehr Informationen über Wildbienen bekommen hat, dem sei mein Artikel Wildbienen im Stauden-Garten ans Herz gelegt.
Digitalis ferruginea (Rostiger Fingerhut) mit Veronica longifolia (Langblättriger Ehrenpreis)
In meinem Garten wächst der Rostige Fingerhut nicht literaturkonform – das wäre zweijährig bis kurzlebig –, sondern er steht schon viele Jahre am selben Platz. Gut, nach ein paar Jahren kann man nicht mehr hundertprozentig sagen, wie lange eine einzelne Pflanze bereits dort wächst, weil aus ursprünglich mal zwei oder drei viele geworden sind. Sie merken es schon: Der Rostige Fingerhut ist ein großer Aussäer und ein noch größerer Keimer bei uns. Mit dem Roten Fingerhut (D. purpurea) kann er jedoch nicht mithalten.
Es ist zudem die ihm eigene, ansonsten unter Fingerhüten nicht so verbreitete Wuchsform, die ihn in den meisten Fällen länger am Leben hält als nur zwei, drei Jahre: Nach der Blüte stirbt in der Regel der Blatthorst ab, der den Blütentrieb hervorgebracht hat. Es bilden sich jedoch Nebenrosetten dicht am ursprünglichen Horst, manchmal nur eine, manchmal vier, fünf oder noch mehr. Diese Nebenrosetten setzen im Folgejahr zur Blüte an. Solche bewurzelten Nebenrosetten kann man natürlich auch abtrennen, verpflanzen und fertig ist die Vermehrung. Nur eines macht Digitalis ferruginea nicht: Ausläufer.
Digitalis ferruginea (Rostiger Fingerhut) – Blatthorst mit Nebenrosetten
Dass seine dunkelgrünen, unverwechselbaren Blattrosetten auch im Winter präsent sind, erleichtert es, Sämlinge zu dezimieren, sofern sie überhandnehmen: Man braucht nicht erst auf einen Frühjahrsaustrieb zu warten. Nach diesen immergrünen Rosetten sollte man sowieso auch in der kalten Jahreszeit hin und wieder sehen und Laub entfernen, das der Wind auf ihnen verteilt hat. So eine Zudecke vertragen sie nämlich absolut nicht – Immergrüne brauchen selbst in der kalten Jahreszeit Licht und Luft zum Leben.
Digitalis ferruginea wächst bei mir besser als alle anderen Digitalis-Arten, die ich ausprobiert habe. Und ich kann ihn mit gutem Gewissen als anspruchslos bezeichnen. Er kommt mit dem Lehmboden hier prima zurecht und verträgt zudem Trockenheit ausgezeichnet. Die Wuchshöhe von 180 cm, die vielfach für ihn angegeben wird, erreicht er unter diesen Umständen freilich nicht. Um so hoch zu werden, muss er schon sehr gut "im Futter stehen", besonders was die Wasserversorgung anbelangt. In – für uns – "guten Regenjahren" bin ich deshalb mit seiner ebenfalls stattlichen Höhe von 150‑160 cm sehr zufrieden.
Digitalis ferruginea (Rostiger Fingerhut) mit Alcea rugosa (Gelbe Stockrose)
In der Regel bringt eine Blattrosette (also eine Pflanze) nur einen Blütentrieb hervor (sofern sich bereits Nebenrosetten gebildet haben, natürlich mehrere), weshalb es vorteilhaft ist, den Rostigen Fingerhut in kleinen Tuffs von drei bis fünf Exemplaren zu pflanzen. Oder man nutzt Einzelpflanzen an verschiedenen Stellen im Bett, um Akzente zu setzen. Auf Digitalis ferruginea ist in dieser Hinsicht Verlass, denn weder starker Wind noch längere Trockenheit bringen die Blütentriebe dazu "einzuknicken". Als Blühpartner empfehlen sich zum Beispiel Alcea rugosa (Gelbe, Russische bzw. Ausdauernde Stockrose) oder Veronica longifolia (Langblättriger Ehrenpreis).
Hand aufs Herz: Wer will schon einen rostigen Fingerhut im Garten? Kein Wunder, dass Digitalis ferruginea zumeist unter dem etwas netteren Namen Rostfarbiger Fingerhut angeboten wird. Dieses Konzept scheint aufzugehen, denn er ist immerhin so häufig in den Gärten zu finden, dass es ihm gelungen ist, von da aus in die Natur auszureißen; in Deutschland gilt Digitalis ferruginea mittlerweile als unbeständiger Neophyt!
Wuchshöhe: | 70-160 cm, evtl. auch höher |
Blütenfarbe: | orangebraun |
Blütezeit: | Juli, August |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | |
Hinweis: | immergrün; giftige Pflanze; unbeständiger Neophyt |
Garten-Hummel-Damen (Bombus hortorum) bei der Arbeit
… ist eine von den drei in Europa einheimischen Fingerhut-Arten; am Waldrand sind Sie Digitalis grandiflora ja vielleicht schon begegnet. Weil sie sehr langlebig ist, ist sie eine willkommene Staude für naturnahe Pflanzungen
Naturnaher Garten:
Ein Garten, der weitgehend unter Verwendung von einheimischen
Pflanzen angelegt ist.
, die in größeren Gruppen besonders gut zur Geltung kommt. Schön ist auch die lange Blütezeit. Die Blüten dieses Fingerhutes stehen übrigens "einseitswendig" am Blütentrieb, wie die Fachleute das nennen, wenn sich die Blüten alle in eine Richtung drehen – nach dem Licht.
Digitalis grandiflora ist einer der mehrjährigen Fingerhüte, also eine Staude. Sie kann man nicht bloß mittels Aussaat vermehren, sondern auch teilen. Was die Bodenbeschaffenheit anbelangt, ist der Großblütige Fingerhut flexibel: Er gedeiht auf armen Böden wie auf nährstoffreicheren. Mit seinem Wurzelwerk ist er prädestiniert für die Spezialaufgabe "Hangbefestigung".
Die eher "massige" Digitalis grandiflora wirkt schön in Begleitung der feingliedrigen Campanula persicifolia (Pfirsichblättrige Glockenblume) in Weiß und Blau.
Wuchshöhe: | 40-80 cm |
Blütenfarbe: | Gelbtöne, variabel |
Blütezeit: | Juni, Juli, August |
Lichtverhältnisse: | sonnig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Bodenfestiger |
Hinweis: | giftige Pflanze; Pollenquelle für Wildbienen |
Der ebenfalls einheimische Gelbe Fingerhut ist nicht ganz so ausdauernd wie der Großblütige und eine viel zierlichere Erscheinung. Mit ein bisschen Glück und dem passenden Standort (er mag humosen, steinigen Lehmboden) bleibt er dennoch im Garten treu, und sei es durch Selbstaussaat. Sie dürfen also nicht zu ordentlich sein und sollten die Samenstände wenigstens teilweise stehen lassen, um Digitalis lutea zu behalten. Mehr Durchhaltevermögen beweist diese Staude zudem, wenn sie alle paar Jahre ausgegraben, geteilt und neu gepflanzt wird. Bei ihr ist man deshalb ebenfalls nicht auf Aussaat zur Vermehrung angewiesen.
Digitalis lutea steckt Trockenheit besser weg als ihre "große Schwester", Digitalis grandiflora, und ist wie diese gut zur Bodenbefestigung/
Wer den Gelben und den Roten Fingerhut im Garten kultiviert und aussamen lässt, auf den wartet ein "Überraschungsei", denn diese beiden Fingerhut-Arten kreuzen sich recht leicht.
Lasioglossum morio, eine kleine Schmalbienen-Art (5‑6 mm groß), widerlegt die These, Fingerhutblüten seien bloß für große Insekten zugänglich. Gut, die Blüten von Digitalis lutea nehmen sich neben denen vieler anderer Arten geradezu "mickrig" aus, aber trotzdem …
Bei der Dunkelgrünen Schmalbiene wurde also Pollen des Gelben Fingerhuts als Proviant für die Larven in den Nestern nachgewiesen. Ein guter Grund, Digitalis lutea ins Gartenbild zu integrieren, denn Lasioglossum morio ist eine häufige und weit verbreitete Wildbienen-Art. Aber erkennen? Erkennen würde man sie als Laie vermutlich höchstens, wenn die Biene ohne Pollen in den Beinhaaren in eine Blüte des Gelben Fingerhuts hineinkrabbelt und mit herauskommt.
Wuchshöhe: | 70 cm |
Blütenfarbe: | hellgelb |
Blütezeit: | Juni, Juli, August |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken |
Verwendung: | Bodenfestiger |
Hinweis: | immergrün; giftige Pflanze; Pollenquelle für Wildbienen |
Der Dunkle Fingerhut ist zwar eine der schönsten Fingerhut-Arten, aber leider auch eine der vergänglichsten. Er hat in meinem Steingarten nur ein kurzes Gastspiel gegeben, nicht einmal über Selbstaussaat haben wir ihn behalten. Obwohl der Ansatz durchaus richtig war: Digitalis obscura braucht einen durchlässigen, steinigen Boden am Standort.
Warme und geschützte Lage hin oder her, Digitalis obscura ist halt doch eine Südländerin (Spanien – außer im Westen –, Nordafrika). Ein paar Grad minus hält sie aus, doch wenn's mal knackig oder länger kalt wird (und sie vielleicht zusätzlich noch unter Nässe leidet), gibt sie auf. Der Pflanze wird dabei auch zum Verhängnis, dass sie als einzige in der Gattung Digitalis ein Halbstrauch ist und keine Staude, die im Herbst einzieht, um im Frühling frisch auszutreiben.
Sehr angenehm fällt an Digitalis obscura die extrem lange Blütezeit auf.
Wuchshöhe: | 40-50 cm |
Blütenfarbe: | orangebraun |
Blütezeit: | Juni, Juli, August, September |
Lichtverhältnisse: | sonnig-absonnig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | |
Hinweis: | immergrün; giftige Pflanze; kurzlebig |
Das Hirnrissigste, was mir je in einem Pflanzenangebot (nageln Sie mich nicht fest, ob Gartencenter oder Baumarkt) begegnet ist, war ein blühender Roter Fingerhut in einem großen Pflanztopf – damit der Kunde möglichst lange etwas davon hat, nämlich genau bis zum Ende der Blütezeit. Denn danach ist Digitalis purpurea als zweijährige Pflanze einfach weg, so sie sich nicht eventuell ausgesät hat. Es gibt eben Dinge, die gibt's gar nicht.
Digitalis purpurea ist die dritte einheimische Fingerhut-Art im Bunde, sie kommt verstreut in ganz Europa vor. Wenn sie etwas nicht mag, dann ist es (Winter-)
Ein guter Kompromiss, um die Selbstaussaat in Grenzen zu halten: Schneiden Sie die verblühten Blütenstände gleich nach dem Verblühen ab und belassen Sie nur ein paar Samenstände am Blütentrieb. Nicht selten treiben die Pflanzen nach so einem Rückschnitt neu durch und man kann ein drittes Lebensjahr (mit Blüte) aus ihnen herauskitzeln. Funktioniert – wie gesagt – nicht immer.
Mittlerweile haben die Züchter einen ganzen Sack voll Sorten auf den grünen Markt gebracht, die vorzugsweise in Samenmischungen angeboten werden. Logisch, denn ein Restrisiko bleibt bei samenvermehrbaren Sorten immer, dass die daraus gezogenen Pflanzen doch nicht so ganz sortenecht sind. Einen Versuch sind vor allem die weißen Auslesen wert, da hätten wir zum Beispiel 'Snow Thimble'. Sie blüht allerdings reinweiß und hat damit auch die dunkle Zeichnung auf der Innenseite der Blütenblätter eingebüßt, die meiner Meinung nach zu Digitalisblüten einfach dazugehören und erst ihren Charme ausmachen.
Wuchshöhe: | 60-130 cm |
Blütenfarbe: | purpurrot/purpurrosa |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | frisch |
Verwendung: | Heil-/Medizinpflanze |
Hinweis: | immergrün; giftige Pflanze; zweijährig; Pollenquelle für Wildbienen |
Wildbienen-Literatur: