Bodendecker sind ja häufig eine etwas eintönige Angelegenheit. Das mag beim unverwüstlichen Geranium macrorrhizum (Felsen- oder Balkan-Storchschnabel) nicht anders sein, aber dafür nimmt es seine Aufgabe als Bodendecker ernst: Seinen Blätterwald und seine Wurzelsprosse durchdringt kaum ein Unkräutlein.
Unter den Storchschnäbeln gibt es jedoch auch Arten, die von Eintönigkeit weit entfernt sind: Geranium dalmaticum (Dalmatiner Storchschnabel), das nicht für den quadratmeterweisen Einsatz gedacht ist, sondern für akzentuierende Begrünung und Bedeckung kleinerer Flächen, und Geranium x cantabrigiense 'Biokovo' (Cambridge-Storchschnabel – eine Kreuzung), das zwar großflächiger eingesetzt werden kann, dabei jedoch nie seine Eleganz und seinen Charme verliert.
Wir stellen Ihnen alle drei vor (alphabetisch nach ihren wissenschaftlichen Namen) und alle drei Arten haben – jede an ihrem Platz – die Bezeichnung "Bodendecker" verdient. Die Ausbreitung erfolgt übrigens bei allen dreien mit einem unterirdischen Rhizom, und dieses Rhizom (ein mehr oder weniger stark verdickter Spross) ist für das Breitenwachstum und dessen Stärke verantwortlich.
Der Cambridge-Storchschnabel ist seinen "Eltern", Geranium macrorrhizum und G. dalmaticum, schon sehr ähnlich. Er hat von beiden was, vom Habitus her schlägt eher macrorrhizum durch, von der Blattform dalmaticum. Geranium x cantabrigiense wird überall da empfohlen, wo G. macrorrhizum zu kräftig wächst und G. dalmaticum zu klein ist.
Normalerweise werden neue Arten einer Gattung in der Natur gefunden und in botanischen Gärten oder Gärtnereien erforscht, vermehrt und neue Sorten oder Hybriden daraus gezüchtet. Beim Cambridge-Storchschnabel war es genau umgekehrt, er entstand 1974 aus einer absichtlichen Kreuzung zwischen G. macrorrhizum und G. dalmaticum in England im Botanischen Garten von Cambridge (daher der Name). Ein Jahr später, 1975, fand Dr. Hans Simon, Gärtner aus Marktheidenfeld, fast die gleiche Kreuzung natürlich entstanden im Biokovo-Gebirge in Dalmatien (Kroatien). Unter dem Sortennamen 'Biokovo' wurde diesem Klon viel "botanische" Aufmerksamkeit und Ehre zuteil und es gibt ihn noch heute.
Geranium x cantabrigiense (Cambridge-Storchschnabel) 'Biokovo' – Austrieb
Andere – neuere – weiß blühende Züchtungen (Sorten) des Cambridge-Storchschnabels haben 'Biokovo' inzwischen etwas den Rang abgelaufen; er muss sich zudem oft den Vorwurf gefallen lassen, mit seinem Blätterdach den Boden nicht dicht genug abzuschirmen, um alles Unkraut zu unterdrücken. Aber er hält sich dennoch tapfer auf dem umkämpften Garten-Markt.
Wie die Eltern verträgt auch das Kind keine Staunässe. Darauf sollten Sie bei der Wahl des Standortes achten. Von einem Platz im Steingarten rate ich ab, wer hat dort schon so viel Fläche, wie sie der 'Biokovo' zur freien Entfaltung benötigt? Machen Sie sich lieber zunutze, dass er sehr trockenheitsverträglich ist und siedeln Sie ihn in einer Gartenecke an, der ansonsten nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Beet (ohne Staunässe!) macht er sich ebenfalls gut zur Vorpflanzung oder um höhere Stauden zu flankieren.
Geranium x cantabrigiense (Cambridge-Storchschnabel) 'Biokovo'
Dass der Storchschnabel 'Biokovo' nicht so dicht wächst, hat durchaus seine Vorteile: Er nimmt benachbarte Pflanzen nicht in die Zange wie manch anderer Bodendecker und kann dadurch auch als Beschatter und Bodenbedecker zwischen höheren Stauden fungieren und nicht nur auf eigens für ihn reservierten Flächen. Angenehm, sehr angenehm. Er ist daher Solokünstler und Teamplayer zugleich und damit ein Allrounder. Bei ihm lohnt es sich, über Pflanzpartner nachzudenken, weil alle zur Geltung kommen.
Erwähnenswert ist noch, dass die Blüten beim Geranium x cantabrigiense 'Biokovo' deutlich über dem Laub stehen und wie kleine Schirmchen über den Blättern tanzen. Das siehe ganz besonders an einem schattigen Standort (den dieser Storchschnabel durchaus verträgt) entzückend aus, wenn die weißen Schirmchen richtig leuchten.
Wuchshöhe: | 25-40 cm |
Blütenfarbe: | weiß mit rosa |
Blütezeit: | Mai, Juni, Juli, August, September |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Grabstätten |
Hinweis: | Staunässe im Winter vermeiden, sehr trockenheitsverträglich; unbeständiger Neophyt |
Der botanische Name und sein deutsches Pendant Dalmatiner Storchschnabel verraten das natürliche Vorkommen von Geranium dalmaticum an der Ostküste des Adriatischen Meeres von Kroatien bis Albanien. Das ist bereits ein Hinweis auf seinen bevorzugten Standort, nämlich sonnig und trocken. Sein Rhizom (unterirdisch wachsender Spross, mehr oder weniger stark verdickt) neigt bei zu viel Feuchtigkeit (auch im Sommer!) zum Faulen, darin ist es Geranium sanguineum sehr ähnlich.
Geranium dalmaticum ist ein zierlicher Storchschnabel, niedrig im Wuchs und trotz seiner unterirdischen Ausläufer (Rhizom!) nicht übermäßig raumgreifend. Der ideale Platz für ihn ist deshalb ein Steingarten, sonnige Seite, alternativ kann man ihn auch in Mauerritzen oder Trockenmauern ansiedeln. Wichtig ist halt ein durchlässiger Boden.
Ich habe den Dalmatiner Storchschnabel unter anderem im Staudenbeet einquartiert. Dort hält er sich zwar schon einige Jahre ganz wacker, blüht jedoch nicht zufriedenstellend. Das Nährstoffangebot ist eben doch zu üppig. Ein anderes Exemplar am Fuß des Steingartens (aus Platzmangel im Steingarten) wächst (und blüht) deutlich besser; der Boden dort ist mager und einigermaßen durchlässig.
Geranium dalmaticum (Dalmatiner Storchschnabel) – Austrieb
Selbst am idealen Standort wird Geranium dalmaticum mit der Zeit übrigens blühmüde. In diesem Fall sollte man die Pflanze herausnehmen, teilen und nur die äußeren, jüngeren Pflanzenteile topfen und weiterkultivieren. Der Mittelteil ist dann meist verholzt und taugt nichts mehr. Mit dieser Methode vermeidet man zudem, dass das hübsche Polster in der Mitte verkahlt.
Nächste Frage: Was passt zu dem kräftigen Rosa des Dalmatischen Storchschnabels? Ich würde Stauden mit weißer oder kräftig violettblauer Blütenfarbe wählen, vielleicht die Matten bildende Petrorhagia saxifraga (Steinbrech-Felsennelke – weiß) und die horstige Campanula glomerata (Knäuel-Glockenblume – violettblau). Schön dazu wirken die nicht wegen ihrer Blüten gepflanzten Kräuter Satureja montana (Berg-Bohnenkraut) und Thymus vulgaris (Echter Thymian).
Wuchshöhe: | 18-23 cm |
Blütenfarbe: | rosa |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig |
Bodenverhältnisse: | trocken |
Verwendung: | |
Hinweis: | Staunässe vermeiden |
Den Felsen- oder Balkan-Storchschnabel zähle ich zu den Blattschmuckstauden. Seine Blätter sind groß (allerdings nicht bis 20 cm breit, wie oft zu lesen ist), samtig (behaart, wie die ganze Pflanze) und färben im Herbst kräftig rot.
Geranium macrorrhizum (Felsen-Storchschnabel) 'Ingwersens Variety' im Frühling
Fast alle Sorten dieser Geranium-Art sind "immergrün"; die alten Blätter sterben im Lauf des Winters, die letzten erst mit dem Neuaustrieb im Frühjahr ab. Die Pflanzen sollten im Herbst deshalb gegebenenfalls grob von herabfallendem Laub von Bäumen und Sträuchern befreit werden, weil sie ja selbst im Winter "Licht und Luft" zum Leben brauchen. Bei allen Pflegearbeiten sollte man ein bisschen vorsichtig zu Werke gehen, denn der Felsen-Storchschnabel ist ein bevorzugter Rückzugs- und Überwinterungsort der geschützten Weinberg- und anderer Gehäuse-Schnecken (ohne dass sie die Pflanzen kahl fressen).
Geranium macrorrhizum (Felsen-Storchschnabel) 'Spessart' – Fruchtstände
Geranium macrorrhizum wird mit Vorliebe in Parkanlagen und an anderen öffentlichen Plätzen eingesetzt, weil es sich als Flächendecker stark ausbreitet und schnell Teppiche bildet, in und unter denen Unkraut kaum eine Chance hat. Dramatisch ist der Ausbreitungsdrang jedoch nicht: In meinem Garten bleibt der Felsen-Storchschnabel eigentlich ziemlich brav auf den Flächen, die er bedecken soll. – Die flächendeckende Wirkung wird hauptsächlich über die Dichte der Pflanzung erzielt und über die langen, braunen, niederliegenden oberirdischen Triebe, die eine stattliche Ausbreitung nur vortäuschen und problemlos abgerissen oder mit der Gartenschere zurückgeschnitten werden können. Das reduziert den Flächenverbrauch, der frische Austrieb wirkt zudem adretter als die alten Triebe.
Der Verwendung im öffentlichen Grün (da erfolgt der "Rückschnitt" oft mit dem Rasenmäher) ist natürlich auch recht zuträglich, dass Geranium macrorrhizum pflegeleicht ist, solange es nicht zu sonnig steht; an einem sonnigen Standort braucht es reichlich Wasser, um keine Blattschäden davonzutragen. Außerdem gedeiht es selbst unter Gehölzen prächtig (Stichwort: trockener Schatten). Vorteile, die wir uns – wie die Garten- und Landschaftsarchitekten oder Landschaftsgärtner – auch im eigenen Garten zunutze machen sollten.
Geranium macrorrhizum (Felsen-Storchschnabel) 'Ingwersens Variety' – Frühjahrstrieb
Die Vermehrung des Balkan-Storchschnabels bereitet bei seiner Wüchsigkeit keinerlei Schwierigkeiten: Teilung. Wo sich im Frühling an den Randlagen der Pflanze frischer Austrieb findet, kann er abgestochen und getopft oder gleich am neuen Standort eingepflanzt werden. Die Triebspitzen kann man zudem als Stecklinge nehmen und vermehren. Sie werden abgeschnitten, in Töpfchen mit Erde gesteckt und bei ca. 20 °C geschützt aufgestellt, bis sie ordentlich Wurzeln gebildet haben (die Erde nicht austrocknen lassen). Vorteilhaft ist es, eine transparente Plastiktüte darüberzustülpen, die sorgt für "gespannte Luft". Selbstaussaat im Garten kommt bei G. macrorrhizum selten vor, die Aussaat im (Gewächs-)
Geranium macrorrhizum (Felsen-Storchschnabel) 'Purpurrot'
Wer den Balkan-Storchschnabel selbst vermehrt, wird schnell den klitzekleinen Nachteil bemerken, den dieser Storchschnabel vielleicht hat: Seine Blätter verströmen beim Berühren einen intensiven Geruch, den man mögen muss. Für meine Nase riechen sie nach Moschus und angenehm, aber da kann man gern anderer Meinung sein. Es kommt zwar selten vor, aber es passiert, dass jemand sagt "Die stinken!". Je nach Sorte und Standort ist der Duft zudem immer wieder etwas anders. Nachdem der Geruch nicht allein durch Luftbewegungen wahrzunehmen ist, sondern nur dann, wenn die Blätter berührt werden, bleibt er auf Pflegearbeiten oder eben die Vermehrung beschränkt. Und nachdem diese Geranium-Art so gut wie keine Pflege braucht …
Dass Geranium macrorrhizum im Winter grün – immergrün also, besser gesagt "herbstrot" – ist, können Sie gut für die Herbst- und Winterbepflanzung von halbschattig bis absonnig aufgestellten Kästen und Trögen nutzen. In solchen "Kulturlandschaften" wirkt es besonders schön zusammen mit ebenfalls immergrünen niedrigen Gräsern; passen würden da zum Beispiel Carex buchananii, die Fuchsrote Segge, oder Carex morrowii 'Variegata', die Japan-Segge.
'Czakor' hat sich in den ersten Jahren nach der Pflanzung geziert und wollte nicht so recht wachsen. Nach diesen Anlaufschwierigkeiten ist sie nun die wüchsigste meiner Macrorrhizum-Sorten und kommt mit dem Problemstandort "trockener Schatten unter Gehölzen" bestens zurecht.
Wuchshöhe: | 20-25 cm |
Blütenfarbe: | purpurrosa |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Gruppenpflanzung |
Hinweis: | eingebürgerter Neophyt |
Diese alte Sorte wird meist unter dem Namen 'Ingwersen' angeboten. Nachdem die Sorte jedoch ohnehin häufig falsch im Handel ist, spielt der Name auch keine große Rolle mehr. 'Ingwersens Variety' hat jedenfalls hellgrünes Blatt und zartrosa Blüten – ich sollte deshalb die echte im Garten haben. Ansonsten? – 'Ingwersens Variety' ist (bei mir) ohne Fehl und Tadel!
Wuchshöhe: | 25-47 cm |
Blütenfarbe: | zartrosa |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Gruppenpflanzung |
Hinweis: | eingebürgerter Neophyt |
Die Sorte 'Purpurrot' "schlägt etwas aus der Art", wie man so schön sagt. Im Vergleich zu anderen Macrorrhizum-Sorten ist sie weniger wüchsig und büßt den Winter über nahezu ihr gesamtes Laub ein. Wo die typische Macrorrhizum-Leistung mit schneller und rund ums Jahr dichter Bedeckung gefragt ist, ist die Sorte 'Purpurrot' außen vor.
Wuchshöhe: | 20-25 cm |
Blütenfarbe: | purpurviolett |
Blütezeit: | Mai, Juni |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Steingarten; Gruppenpflanzung |
Hinweis: | eingebürgerter Neophyt |
Man kommt und kommt nicht drauf, wo diese altgediente Sorte herstammen könnte. 'Spessart'? Na, gibt's in Deutschland da nicht so ein Wäldchen?
'Spessart' mit den schicken weiß-purpurroten Blüten ist die am häufigen im öffentlichen Grün verwendete Sorte und das hat seinen Grund: Sie ist robust und wüchsig und bildet rasch dichte Bestände.
Wuchshöhe: | 25-40 cm |
Blütenfarbe: | weiß mit rosafarbenem Hauch |
Blütezeit: | Juni, Juli |
Lichtverhältnisse: | sonnig-halbschattig |
Bodenverhältnisse: | trocken-frisch |
Verwendung: | Gruppenpflanzung |
Hinweis: | orange-kupferrote Herbstfärbung; eingebürgerter Neophyt |